1884
Josef Franz Hegenbarth wurde am 15. Juni als Sohn von Maria Johanna und Joseph Ignaz Hegenbarth in Böhmisch-Kamnitz (Česká Kamenice, ehemals Österreich, heute Tschechien) geboren. Der Vater arbeitete dort in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens, welches unter der Firma ›Franz Hegenbarth Söhne‹ veredelte Glaswaren produzierte und handelte. Die Mutter entstammte der traditionsreichen Familie Palme, die seit dem frühen 18. Jahrhundert im benachbarten Steinschönau eine Fabrikation von Kristall- und Bronzelüstern betrieb. Mit seiner älteren Schwester Gertrud und seiner jüngeren Schwester Elisabeth wuchs Josef in einem kultivierten Umfeld auf. Sein ebenfalls aus Böhmisch-Kamnitz stammender Vetter Emanuel Hegenbarth (1868–1923) wurde 1903 als Professor für Tiermalerei an die Königlich Sächsische Kunstakademie in Dresden berufen. Er ebnete den Weg, der sie beide von der Unternehmernachfolge zur erfolgreichen Künstlerexistenz führte.
1905
Mit 21 Jahren folgte Josef Hegenbarth seinem Vetter Emanuel nach Dresden, der ihn zunächst privat unterrichtete. Anders als die Brücke-Künstler, die zeitgleich in Dresden tätig waren, besuchte Josef Hegenbarth die Kunstakademie. Von 1908 bis 1915 studierte er als Schüler von Carl Bantzer, Oskar Zwintscher und als Meisterschüler von Gotthardt Kühl. Arbeiten des angehenden Künstlers wurden erstmals 1914 in der Dresdner Galerie Emil Richter, in der Internationalen Graphischen Kunst-Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Leipzig sowie in der Secession in München und Wien gezeigt. 1915 trat Hegenbarth der liberalen Künstler-Vereinigung Dresden bei, deren Jury er später angehörte. Von 1917 bis 1919 lebte Hegenbarth in Prag, wo er im Schülerkreis des deutsch-böhmischen Malers und Druckgrafikers August Brömse arbeitete. Durch dessen Anregung begann er die Arbeit an umfangreichen druckgrafischen Mappenwerken zur Weltliteratur, von denen sich etwa 20 erhalten haben. 1919 kehrte Josef Hegenbarth nach Dresden zurück und bezog ein Atelier im Künstlerhaus in Loschwitz. Von 1920 bis 1936 war er Mitglied des Deutschen Künstlerbundes.
1921
Josef Hegenbarth erwarb das ehemalige Winzerhaus Calberlastraße 2 am Elbhang in Dresden-Loschwitz, in dem er bis zu seinem Tode wohnte und arbeitete. Er etablierte sich als freischaffender Künstler und arbeitete abwechselnd in Dresden und in seinem nahe gelegenen Geburtsort Böhmisch-Kamnitz. Zunehmend nahm er Motive seiner Umwelt in den Blick, die ihn zu teils humorvollen, teils grotesken Arbeiten inspirierten: Ab 1924 arbeitete er bei der Münchener ›Jugend‹ mit, ab 1925 beim Münchener ›Simplicissimus‹.
Dabei entwickelte er seine unverwechselbare künstlerische Handschrift. 1926 wurde er Mitglied der Wiener Secession, an deren Ausstellungen er zwischen 1914 und 1938 teilnahm und deren erneutes Mitglied er ab 1960 war. 1929 wurde Hegenbarth Mitglied der Prager Secession und beteiligte sich bis 1936 an deren Ausstellungen. Seine Arbeiten wurden in Wien und Prag und an vielen anderen Orten wie Berlin, Venedig und 1930 in New York gezeigt.
1936
Josef Hegenbarth heiratete Johanna Aster (1897–1988), die bis zu ihrem Tode die Verbreitung seines Werks vorantrieb und nach dem Tode Hegenbarths das Josef-Hegenbarth-Archiv gründete.
Infolge der Veröffentlichung einer Zeichnung, die mit einem zweideutig zu verstehenden Kommentar unterlegt war, wurde Hegenbarth in der Presse angegriffen. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und verlegte sich auf vermeintlich unverfängliche Themen, Bildnisse von Menschen und Tieren sowie literarische Illustrationen. Die allermeisten Buchillustrationen, insgesamt Hunderte von Zeichnungen, blieben bis zum Kriegsende unveröffentlicht. In Zeitschriften erschienen kleinere Folgen und humoristische Arbeiten. Eine systematische Untersuchung dazu steht noch aus. Von 1943 bis 1945 hielt sich Hegenbarth in Böhmisch-Kamnitz auf.
1945
Im Oktober kehrte er im Zuge der Ausweisung deutscher Staatsbürger nach Dresden zurück; wesentliche Teile seines Lebenswerkes gingen ihm dabei verloren. In Dresden folgte eine produktive Zeit, in der neue Arbeiten und erste Publikationen entstanden. Von 1946 bis 1950 arbeitete er am Berliner ›Ulenspiegel‹ mit. 1946 erhielt er eine Anstellung an der Hochschule für Werkkunst in Dresden. Im Jahr darauf wurde er zum Professor an der Hochschule für Bildende Künste berufen, dieses Lehramt gab er 1949 wieder auf. Ab den 1950er Jahren erschienen in rascher Folge zahlreiche Buchausgaben mit vorhandenen und neu gezeichneten Illustrationen sowie Kataloge und Bildbände mit Hegenbarths Werken. Motive fand er auch wieder in seiner unmittelbaren Umgebung: die Trümmerarbeit, das (klein-)bürgerliche Leben, die Welt des Zirkus und des Theaters.
1954
Hegenbarth erhielt in diesem Jahr den Nationalpreis der DDR, nachdem er zuvor die österreichische Staatsbürgerschaft wiedererlangt hatte. Im selben Jahr trat Hegenbarth dem 1950 wiederbegründeten Deutschen Künstlerbund bei und nahm erneut regelmäßig an dessen Ausstellungen teil. 1955 wurde er Korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Künste, 1956 Außerordentliches Mitglied der Akademie der Künste in West-Berlin. 1957 restituierte die tschechoslowakische Regierung den größten Teil der Arbeiten, die Hegenbarth 1945 in Böhmisch-Kamnitz hatte zurücklassen müssen.
In seinen letzten Lebensjahren arbeitete der Künstler an umfangreichen Bildfolgen zur Weltliteratur und zu biblischen Themen. 1959 veranstaltete die National-Galerie zu Berlin eine Retrospektive zu Ehren seines 75. Geburtstages. Diese Ausstellung wurde anschließend in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München gezeigt, die Hegenbarth im folgenden Jahr als Mitglied aufnahm.
1962
Am 27. Juli starb Josef Hegenbarth im Alter von 78 Jahren in Dresden an den Folgen einer Krebserkrankung. Posthum zeigte 1964 die ›documenta III‹ Zeichnungen von Hegenbarth. Sein Werk wird in öffentlichen und privaten Sammlungen weltweit bewahrt.
1988 erbte das Dresdener Kupferstich-Kabinett Hegenbarths Nachlass und sein Atelierhaus, das 1998 nach grundlegender Sanierung als Josef-Hegenbarth-Archiv wiedereröffnet wurde.
2008 erschien das Digitale Werkverzeichnis der Zeichnungen als Online-Datenbank. 2014 gründete eine private Initiative die Hegenbarth Sammlung Berlin, in der die Werke Hegenbarths im Dialog mit Kunst auf Papier aus der Zeit der Renaissance bis zur Gegenwart ausgestellt werden. 2023 wurde das Digitale Werkverzeichnis der Zeichnungen auf den aktuellen Stand der Technik gebracht und, mit neuen Suchfunktionen und Verknüpfungen ausgestattet, der Öffentlichkeit übergeben.
Wir danken Harry Ralf Herrling für wertvolle Hinweise, die seiner in Vorbereitung befindlichen Doppelbiografie ›Hannes Hegen und Josef Hegenbarth. Comic-Legende und Meister der Illustration‹ entnommen sind.
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